Taste the Waste

Da ich diese Woche keine Zeit für eine ausgiebige Recherche hatte, gibt es heute keine Beantwortung einer Frage, sondern einen Text zu einem meiner Meinung nach sehr wichtigen Thema. Gemeint ist die leider immer noch allgegenwärtige Lebensmittelverschwendung.

Ins Zentrum des des öffentlichen Interesses gerückt wurde das Thema 2010 durch den Film „Taste the Waste“ des Filmemachers Valentin Thurn sowie durch das zugehörige Buch „Die Essensvernichter“, das Thurn zusammen mit dem Journalisten und Autor Stefan Kreutzberger geschrieben hat. Film und Buch zeigten die immense Verschwendung von Lebensmitteln auf, die vor allem in den Industriestaaten auftrat und leider heute immer noch auftritt. Diese reicht von den Landwirten, die teilweise die Hälfte ihrer Ernte auf den Feldern direkt wieder unterpflügen, weil sie sie nicht verkaufen können, über den Lebensmittelhandel, der viele Waren entsorgt, weil das Mindesthaltbarkeitsdatum abgelaufen ist, bis hin zum Verbraucher, der verdorbene Lebensmittel entsorgt, weil er so viel eingekauft hat, dass er nicht alles aufbrauchen konnte. Allein in Deutschland werden so jedes Jahr 20 Millionen Tonnen Lebensmittel weggeworfen, von denen die meisten noch verzehrbar wären. Das Essen, das in Europa weggeworfen wird, würde zwei Mal ausreichen, um alle Hungernden der Welt zu ernähren [1]. Natürlich würde es keinen Sinn ergeben, dieses Essen von Europa zu den hungernden Menschen zu bringen. Aber wenn wir unseren Lebensmittelverbrauch um die Menge des weggeworfenen Essens reduzieren würden, würden dadurch immense Ackerflächen frei, auf denen dann Nahrungsmittel für diejenigen produziert werden könnten, die sie wirklich brauchen.

Weil ich nur das Allerbeste will…

Warum kommt es nun aber zu einer solchen Verschwendung von Lebensmitteln? Der Hauptgrund dafür liegt in unserm Konsumverhalten. Obst und Gemüse, das kleine „Schönheitsfehler“ hat, wird nicht gekauft. Der Apfel mit der Druckstelle, die „zweibeinige“ Möhre und die zu krumme Gurke bleiben im Regal liegen und man greift lieber zu dem Stück daneben, das diesen „Fehler“ nicht hat. Der Handel hat darauf natürlich reagiert und nimmt den Erzeugern solche Lebensmittel erst gar nicht mehr ab oder sortiert sie frühzeitig aus.

Hinzu kommt, dass die meisten Verbraucher das Mindesthaltbarkeitsdatum falsch interpretieren und Lebensmittel, bei denen dieser Zeitpunkt überschritten ist nicht mehr kaufen bzw. sofort wegwerfen, weil sie davon ausgehen, dass das Essen dann verdorben ist. Hierüber gibt dieses Datum jedoch gar keine Auskunft. Das Mindesthaltbarkeitsdatum ist der Zeitpunkt, bis zu dem der Hersteller garantiert, dass ein Produkt seine spezifischen Eigenschaften wie Konsistenz oder Aroma behält. Die Hersteller sind zwar gesetzlich dazu verpflichtet, ein Mindesthaltbarkeitsdatum an den Lebensmitteln anzubringen, die Festlegung desselben kann jedoch vollkommen willkürlich geschehen. Es stimmt auch nicht, dass Lebensmittel mit abgelaufenem Mindesthaltbarkeitsdatum nicht mehr verkauft werden dürfen. Dies trifft nur auf das Verbrauchsdatum zu, welches in der Tat eine Empfehlung darstellt, das Lebensmittel nach dem entsprechenden Zeitpunkt nicht mehr zu verzehren und ist durch die Worte „zu verbrauchen bis…“ im Gegensatz zum „mindestens haltbar bis…“ des Mindesthaltbarkeitsdatums. Viele Lebensmittel überschreiten ihr Mindesthaltbarkeitsdatum aber nicht erst in den hinteren Ecken unserer Kühlschränke, wo sie nach dem Kauf vergessen wurden, sondern bereits in den Regalen des Lebensmittelhandels, weil die Händler jederzeit von allen Waren eine Große Menge vorrätig halten, aus Angst, dass der Kunde beim nächsten Mal zur Konkurrenz geht, wenn er ein gewünschtes Produkt nicht erhält.

Schlussendlich wandern viele Lebensmittel bei den Verbrauchen in den Müll, weil sie das Mindesthaltbarkeitsdatum überschritten haben oder wirklich verdorben sind da schlicht zu viel gekauft wurde, um es rechtzeitig aufzubrauchen oder bestimmte Waren aus einer Laune heraus mitgenommen und dann doch nicht gegessen wurden.

Der Klimawandel aus der Mülltonne

Aber warum ist es denn so schlimm, wenn wir die Lebensmittel wegwerfen? Aus mehreren Gründen. Um die stetig wachsende Weltbevölkerung auch in Zukunft ernähren zu können, benötigen wir bei unserem derzeitigen Lebenswandel weit mehr Ackerfläche als uns zur Verfügung steht. Vor allem wenn die Entwicklungsländer mit wachsendem Wohlstand das Konsumverhalten der Industrieländer annehmen. Neben dem immensen Landverbrauch für die Produktion der Lebensmittel, die wir so gedankenlos wegwerfen werden hierfür auch riesige Mengen an Energie benötigt, was auch einen großen Ausstoß an Treibhaugasen nach sich zieht. So beträgt der Anteil der Landwirtschaft am gesamten Ausstoß von Treibhausgasen 14 %, wobei hier die Treibhausgase, die durch veränderte Landnutzung wie die Brandrodung von Wäldern um sie als Viehweiden zu nutzen oder die Trockenlegung von Sümpfen noch nicht mit eingerechnet sind [1]. Wenn wir aufhören würden, etwa ein Drittel unserer Nahrungsmittel wegzuwerfen und entsprechend weniger Produzieren würden, würde das unser Klima gewaltig entlasten.

Licht am Ende des Tunnels

Glücklicherweise scheint zumindest bei einem Teil der Bevölkerung langsam ein Umdenken beim Umgang mit Lebensmitteln einzusetzen. So holen die Mitglieder des von Valentin Thurn gegründeten Vereins Foodsharing (www.foodsharing.de) Lebensmittel, deren Mindesthaltbarkeitsdatum abgelaufen ist oder die aus anderen Gründen nicht mehr verkauft werden können, bei den Lebensmittelhändlern ab und geben sie kostenlos an Interessierte weiter, damit die Lebensmittel nicht weggeworfen werden müssen. Einige Ketten des Lebensmitteleinzelhandels sind dazu übergegangen, Lebensmittel, deren Mindesthaltbarkeitsdatum kurz vor dem Anlauf steht, zu reduzierten Preisen abzugeben, damit sie noch rechtzeitig verkauft werden können. Inzwischen gibt es auch schon ein App, mit der man sich anzeigen lassen kann, welcher Laden in der Umgebung gerade welche Lebensmittel zu reduzierten Preisen abgibt (www.foodloop.net). In Amsterdam, Kopenhagen und bald auch in Berlin gibt es mit dem InStock (www.instock.nl), dem rub & stub (www.spisrubogstub.dk) und dem Restlos glücklich (www.restlos-gluecklich.berlin) Restaurants, die für die Zubereitung ihrer Speisen abgelaufene Lebensmittel verwenden und so einerseits aktiv die Menge der weggeworfenen Lebensmittel verringern, sich andererseits aber auch die Aufklärung der Leute über das Thema auf die Fahnen geschrieben haben, um nicht nur Symptome zu behandeln, sondern das grundsätzliche Problem zu bekämpfen. Ebenfalls in Berlin befindet sich das Restaurant Culinary Missfits (www.culinarymisfits.de), wo für die Zubereitung der Speisen Gemüse verwendet wird, dass nicht der Norm entspricht.

Was kann ich tun?

Um das Problem aber wirklich in den Griff zu bekommen sind über diese Initiativen hinaus wir alle gefragt. Denn wir als Konsumenten haben die Macht eine Veränderung zum Besseren zu bewirken. Wenn der Lebensmittelhandel merkt, dass wir auch krumme Gurken und andere Missfits kaufen, werden diese auch wieder den Weg in die Regale finden. Alternativ können wir wieder mehr auf dem Wochenmarkt bei Regionalen Händlern einkaufen, die solches Obst und Gemüse oft im Angebot haben.

Wichtig ist auch, dass wir unser Verhältnis zu unseren Lebensmitteln überdenken und ihnen wieder mehr Wertschätzung entgegen bringen und überlegter konsumieren. Wir müssen uns Fragen „Brauche ich das jetzt wirklich?“ und vor allem „Verbrauche ich das rechtzeitig, bevor es schlecht wird?“ Wenn jeder bei sich anfängt und sein Verhalten entsprechend ändert, kann die Lebensmittelverschwendung bald der Vergangenheit angehören.

Literatur:

[1] Kreutzberger S., Thurn V.: Die Essensvernichter; 2011, RM Buch und Medien Vertrieb GmbH

Die Low Carb Ernährung aus biochemischer Sicht

Seit einiger Zeit ist es ja wieder in Mode, sich kohlehydratarm zu ernähren bzw. eine sogenannte Low Carb Diät zu machen, wenn man abnehmen will. Kürzlich bin ich auf eine Studie gestoßen, die den Effekt einer solchen Diät mit reduzierter Aufnahme von Kohlehydraten mit dem Effekt einer Diät mit reduzierter Aufnahme von Fetten auf die Gewichtsabnahme und den Anteil des Körperfettes verglichen hat [1]. Es gibt reichlich Untersuchungen zu diesem Thema, bisher ergibt sich jedoch kein klares Bild, ob eine Low Carb Diät besser ist als andere Diäten oder nicht. Viele dieser Studien haben unterschiedliche und zum Teil gegensätzliche Ergebnisse. Dies mag zu einem großen Teil daran liegen, dass die Zusammensetzung der Nahrung, die die Teilnehmer in den verschiedenen Studien erhalten, sehr unterschiedlich ist [2]. Dazu kommt, dass an den Studien entweder eine große Zahl an Leuten teilnimmt, dann aber deren Nahrungsaufnahme nur gering überwacht ist [3] oder dass das Essverhalten der Teilnehmer zwar streng überwacht wird, dann aber die Teilnehmerzahl der Studien aufgrund des hohen Aufwandes sehr gering und der beobachtete Zeitraum sehr kurz sind.

Low Carb und Low Fat führen zum gleichen Endergebnis

Auch diese neue Studie hat nicht den Stein der Weisen entdeckt, liefert jedoch ein paar interessante Ergebnisse. Untersucht wurden 19 übergewichtige Personen, die für jeweils sechs Tage eine kohlehydratarme Kost und nach einer Pause von vier Wochen für weitere sechs Tage eine fettarme Kost mit gleichem Kaloriengehalt erhielten. Beide Diäten waren gegenüber einer ausgewogenen Vergleichsernährung um 30 % im Kaloriengehalt reduziert, um einen Abnehmeffekt zu erzielen. Durch die kohlehydratarme Ernährung wurde bei den Studienteilnehmern die Verbrennung von Fetten angekurbelt, was bei der fettarmen Ernährung nicht der Fall war und die kohlehydratarme Ernährung führte auch zu einem größeren Verlust an Körpergewicht als die fettarme Ernährung. Allerdings war der absolute Verlust an Körperfett bei der kohlehydratarmen Ernährung geringer als bei der fettarmen Ernährung und der größere Gewichtsverlust auf eine stärkere Ausschwemmung von Wasser zurückzuführen. Warum aber führt eine Ernährungsweise, die zu einer höheren relativen Fettverbrennung führt zu einer geringeren Abnahme des Körperfettes? Möglicherweise liegt das an der in der Studie beobachteten Tatsache, dass der Ruheenergieverbrauch, also z.B. der Energieverbrauch während des Schlafens, während der kohlehydratreduzierten Ernährung im Vergleich zur fettreduzierten Ernährung verringert war. Bei Kohlehydratmangel schalteten die Körper der Studienteilnehmer also anscheinend stärker auf Sparflamme als bei Fettmangel.

Ein Effekt, den man ja eigentlich nicht haben will, wenn man eine Diät macht. Ist die kohlehydratreduzierte Ernährung am Ende also sogar ungeeigneter zum Abnehmen, weil der Körper sich in einer stärkeren Mangelsituation wähnt und versucht, mehr Energie zu sparen? Auf diese Frage geben die Autoren der Studie ebenfalls Antwort. Zum einen schreiben sie, dass der Anteil der Kohlehydrate in der von ihnen verwendeten kohlehydratreduzierten Ernährung im Vergleich zu anderen kohlehydratreduzierten Diäten relativ hoch sei und das eine stärkere Reduzierung der Kohlehydrate einen stärkeren Effekt aufweise. Zum Anderen würden Computersimulationen auf der Basis ihrer Daten zeigen, dass sich der Abbau von Körperfett bei der längeren Durchführung der Diäten angleichen würde, sodass beide zum gleichen Endergebnis führen würden. Es sei daher weniger wichtig, welche Diät man mache, sonder viel mehr, dass man sich an konsequent an seinen Diätplan halte [1].

Kohlehydrate bilden die Grundlage des Energiestoffwechsels

Aus der Sich eines Abnehmwilligen schein es also egal zu sein, ob die Reduktion von Kohlehydraten oder von Fetten bei einer Diät gewählt wird, weil das Ergebnis bezüglich der Reduktion des Körperfettanteils im Endeffekt gleich ist. Allerdings sollte man auch betrachten, was auf dem Weg dahin geschieht.

Der menschliche Körper kann aus Kohlehydraten, Fetten und Eiweißen Energie gewinnen. Dabei kommt den Kohlehydraten eine zentrale Rolle zu. Diese können in zwei nacheinander ablaufenden Schritten, die als Glycolyse und Zitronensäurezyklus bezeichnet werden, abgebaut. Außerdem können sie sowohl als Grundlage für die Synthese von Aminosäuren dienen, die ja die Grundbausteine von Eiweißen darstellen, als auch als Grundlage für die Synthese von Fetten.

Die Gycolyse, die den ersten Schritt des Kohlehydratabbaus darstellt, kann in allen Zellen des menschlichen Körpers ablaufen. Beim Zitronensäurezyklus hingegen ist das nicht der Fall, da hierfür spezialisierte Zellbestandteile notwendig sind, die als Mitochondrien bezeichnet werden. Zellen, die keine Mitochondrien enthalten, wie zum Beispiel die Roten Blutkörperchen, die für den Sauerstofftransport im Blut verantwortlich sind, sind auf die Glycolyse zur Energiegewinnung angewiesen. Dies hat auch zur Folge, dass sie nur Kohlehydrate und Aminosäuren, die jedoch zuvor in Kohlehydrate umgebaut werden müssen, als Energielieferanten nutzen können. Fette können nicht in der Glycolyse verwertet werden, sondern nur im Zitronensäurezyklus.

Ein weiterer Vorteil von Kohlehydraten gegenüber Fetten ist, dass für ihre Verstoffwechslung in der Glykolyse kein Sauerstoff notwendig ist, der Zitronensäurezyklus aber ohne Sauerstoff nicht ablaufen kann. Dies ist wichtig für Gewebe, in denen kurzzeitig ein Sauerstoffmangel auftreten kann, wie zum Beispiel in den Muskeln bei starker Belastung. Unter diesen Bedingungen können die Kohlehydrate zwar genau so wenig im Zitronensäurezyklus weiter verarbeitet werden wie die Fette, aber die Glycolyse mit der anschließenden Umsetzung ihrer Endprodukte in Milchsäure funktioniert hier als Notprogramm, welches als Milchsäuregärung bekannt ist.

Der menschliche Körper kann Kohlehydrate nicht aus Fetten herstellen

Der menschliche Körper benötigt zum funktionieren also Kohlehydrate, die er bei einer kohlehydratreduzierten Ernährung jedoch nicht in ausreichender Menge erhält. Zwar ist der Körper in der Lage, Kohlehydrate selber herzustellen, jedoch kann er als Grundlage dafür keine Fette verwenden, sondern nur Aminosäuren. Durch die kohlehydratarme Ernährung, welche aus dem genannten Grund mit Aminosäuren in Form von Eiweißen angereichert ist, kommt es also zu einem erhöhten Aminosäurestoffwechsel. Während Kohlehydrate und Fette komplett zu Kohlenstoffdioxid und Wasser abgebaut werden können, die dann ohne Probleme über die Atmung und den Urin abgegeben werden, ist dies bei Aminosäuren nicht der Fall. Aminosäuren enthalten Stickstoff, welcher als Harnstoff ausgeschieden wird. Die Produktion des Harnstoffes erfolgt nur in der Leber, weshalb der Stickstoff aus dem Abbau der Aminosäuren zuerst vom Ort seiner Freisetzung in die Leber transportiert und dort in Harnstoff umgewandelt werden muss, bevor er durch die Nieren mit dem Harn ausgeschieden werden kann. Hierdurch wird dem Körper eine große zusätzliche Stoffwechsellast aufgebürdet. Hinzu kommt, dass der Körper aufgrund des Kohlehydratmangels vermehrt auf Fette zur Energiegewinnung zurückgreifen muss. Hierdurch steigt die Konzentration von Ketonkörpern, die eine Abbau- und Transportform von Fettsäuren darstellen, im Blut. Da diese Ketonkörper den pH-Wert des Blutes senken, kann eine zu hohe Ketonkonzentration im Blut gesundheitsschädlich sein, weil diese Absenkung des pH-Wertes die Funktion vieler Gewebe, z.B. des Nervensystems, beeinträchtigt [4].

Generell ist es wie bei so vielen Dingen in der Natur, dass ein zu Viel genau so schlecht ist wie ein zu Wenig. Man sollte also darauf achten, dass die eigene Ernährung alle nötigen Inhaltsstoffe in der richtigen Menge enthält. So empfiehlt beispielsweise die deutsche Gesellschaft für Ernährung einen Kohlehydratanteil von über 50 % und möglichst wenig Fett.

Hinweis: Dieser Artikel dient lediglich der Information und ist keinesfalls als Ersatz für einen Arztbesuch oder als Anleitung zur Selbsttherapie zu betrachten.

Literatur:

[1] Hall K.D. et al.: Calorie for Calorie, Dietary Fat Restriction Results in More Body Fat Loss than Carbohydraterestriction in People with Obesity; Cell metabolism (2015), http://dx.doi.org/10.1016/j.cmet.2015.07.021

[2] Westmann E.C., Feinmann R.D., Mavropoulos J.C., Vernon M.C., Volek J.S., Wortman J.A., Yancy W.S., Phinney S.D.: Low-carbohydrate nutrition and matabolism; The American Journal of Clinical Nutrition (2007) 86, pp. 276-284

[3] Winkler J.T.: The fundamental flaw in obesity research; Obesity Reviews (2005) 6, pp. 199-202

[4] Berg J.M., Tymoczko J.L., Stryer L.: Biochemie, 5. Auflage 2003; Spektrum Akademischer Verlag GmbH

Was ist der biologische Unterschied zwischen Mann und Frau? (immernoch eine Frage von Christian)

Teil 2: Gleich und ungleich

 

Im Beitrag der letzten Woche ging es um die primäre Geschlechtsbestimmung des Menschen und um die genetische Grundlage der unterschiedlichen Differenzierung desselben Ursprungsgewebes bei Frauen und Männern. Entweder entwickeln sich aus diesem Gewebe, der bipotenten Gonade, unter der Einwirkung einer durch das SRY-Protein ausgelösten Genkaskade die Hoden, oder, in Abwesenheit von SRY, die Eierstöcke. Diese sind dann jeweils die Grundlage der Entwicklung der Weiteren Geschlechtsorgane, da sie diese durch die Ausschüttung von männlichen Geschlechtshormonen, den Androgenen, oder weiblichen Geschlechtshormonen, zu denen unter Anderem die Gruppe der Östrogene gehört, maßgeblich beeinflussen.

 

Der innere Genitaltrakt ist bei Männern und Frauen unterschiedlichen Ursprungs

Ebenfalls noch von letzter Woche wissen wir, dass sich im weiblichen Geschlecht aus dem Müllerschen Gang die Eileiter, die Gebärmutter, der Gebärmutterhals und der obere Teil der Vagina entwickeln. Das Signal für die Ausdifferenzierung des Müllerschen Ganges sind die durch die Eierstöcke abgesonderten Östrogene. Umgangssprachlich wird ja meistens von Östrogen in der Einzahl gesprochen, allerdings handelt es sich hier um eine Gruppe von Hormonen, von denen das Östradiol das Wirksamste ist.

Östrogene sind jedoch nicht nur für den Aufbau des weiblichen Genitaltraktes notwendig, sondern auch für die fehlerfreie Funktion des männlichen. So wird zum Beispiel der Spermienflüssigkeit in den Samenleitern etwa 90 % des Wassers entzogen. Dies führt zu einer höheren Lebensdauer und zu einer größeren Konzentration der Spermien in der Spermienflüssigkeit. Hierfür ist Östrogen notwendig, da bei Mäusen, denen der Östrogenrezeptor fehlt und deren Samenleiter also kein Östrogen wahrnehmen können, dieser Wasserentzug nicht stattfindet. Das führt dazu, dass diese Mäuse nicht zeugungsfähig sind [1].

Frauen sind bei der Entwicklung ihres Genitaltraktes also bereits darauf bedacht, dass es der Nachwuchs von Anfang an hübsch und gemütlich hat und bauen ihr reproduktives System quasi von Grundauf neu. Die Männer haben in diesem Fall für so einen neumodischen Kram kein Verständnis und setzen lieber auf altbewährtes. Zuerst wird aufgeräumt und durch die Ausschüttung des Anti-Müller-Hormons der Müllersche Gang beseitigt, danach nimmt man sich des uns ebenfalls bekannten Wolffschen Ganges an. Der hatte bisher als harnableitender Gang für die Urniere gedient, ist aber durch die Bildung der nächsten Nierengeneration, der Nachniere, mit eigenem harnableitenden System, ohne Funktion. Da der Wolffsche Gang nun also unbenutzt in der Gegend herumliegt und bereits bewiesen hat, dass er funktioniert, wird er kurzerhand zu Nebenhoden, Samenblase und Samenleiter umgebaut und die nächsten Jahrzehnte liebevoll gepflegt. Für den Umbau des Wolffschen Ganges ist das in den Hoden produzierte Testosteron zuständig. An der Bildung der äußeren männlichen Geschlechtsorgane ist das Testosteron aber anscheinend kaum beteiligt. Es scheint eher so zu sein, dass beispielsweise für die Bildung des Penis und des Hodensackes das Dihydrotestosteron (DHT), ein Abbauprodukt des Testosterons, notwendig ist [1].

Die äußeren Geschlechtsorgane des Mannes und der Frau entstehen aus den gleichen Vorläufern

Bei der Bildung der äußeren Geschlechtsorgane sind sich Männer und Frauen dann wieder einig, zumindest was die Verwendung des Gewebes angeht, aus denen diese gebildet werden. Zum Beispiel haben sowohl der männliche Penis als auch die weibliche Klitoris denselben Ursprung und einen sehr ähnlichen inneren Aufbau, so unterschiedlich sie auch aussehen [2]. Dieses unterschiedliche Aussehen resultiert aus den unterschiedlichen Aufgaben, an die sie beide bestens angepasst sind. Die Klitoris hat als einzige Aufgabe die Sinneswahrnehmung während des Geschlechtsverkehrs und ist dafür mit einer großen Menge an Nervenzellen ausgestattet. Für diese Aufgabe ist auch die, im Vergleich zum Penis, geringe Größe der Klitoris vollkommen ausreichend (mal ehrlich: eine Größe von 10 cm oder mehr fänd ich da ziemlich unpraktisch). Der Penis hingegen ist eher ein Multitalent, schließlich bestehen seine Aufgaben neben der Sinneswahrnehmung auch noch in der Penetration beim Geschlechtsverkehr und der damit verbundenen Freisetzung der Spermienflüssigkeit in der Vagina, sowie das urinieren. Zumindest die Aufgabe der Penetration erklärt, warum der Penis wesentlich größer ist als die Klitoris.

Ebenfalls gleichen Ursprunges sind die äußeren Schamlippen der Frau und der Hodensack des Mannes. Und auch hier haben unterschiedliche Aufgaben zu unterschiedlichem Aussehen geführt. Die äußeren Schamlippen bedecken und schützen die inneren Schamlippen und die Klitoris, während der Hodensack die Hoden aufnimmt, damit sie wohl klimatisiert außerhalb des Körpers gelagert werden können [2]. Spermien sind nämlich temperaturempfindlich und zu hohe Temperaturen wirken sich negativ auf die Qualität der Spermien aus.

All dieses passiert während der Embryonalentwicklung, also noch im Körper der Mutter. Nach der Geburt ist dann erstmal einige Jahre Ruhe, was die Entwicklung der Geschlechter angeht. Erst mit der Pubertät folgt dann, ausgelöst durch die Geschlechtshormone, der letzte Akt, mit der Ausbildung der Brüste und dem Einsetzen der Regelblutung bei der Frau und dem Anschwellen der Hoden und dem Stimmbruch beim Mann, sowie dem ausbilden der geschlechtsspezifischen Körperbehaarung bei beiden.

 

Literatur:

[1] Gilbert S.F.: Developmental Biology; 7. Auflage 2003; Sinauer Associates Inc.

[2] Nagoski E.: Come as you are; 1. Auflage 2015; Simon&Schuster Paperbacks

Was ist der biologische Unterschied zwischen Mann und Frau? (Eine Frage von Christian)

Teil 1: Aktenzeichen XY

Wie unterscheiden sich Männer und Frauen? Antworten hierauf gibt es viele. Sie unterscheiden sich im Aussehen, im Verhalten, in ihrer Physiologie, in ihren Vorlieben und Abneigungen und natürlich in ihren Geschlechtsmerkmalen. Was aber ist die Grundlage für diese Unterschiede? Wer stellt die Weichen, ob sich ein Embryo im Mutterleib zu einer Frau oder zu einem Mann entwickelt?

Das Y-Chromosom induziert die Entwicklung zum Mann

Beim Menschen sind die zwei Geschlechtschromosomen X und Y für die Ausprägung des Geschlechtes zuständig, wobei das Vorhandensein von zwei X-Chromosomen die Entwicklung zur Frau und das Vorhandensein von einem X- und einem Y-Chromosom die Entwicklung zum Mann zur Folge hat. Der Geschlechtsbestimmende Faktor befindet sich dabei auf dem Y-Chromosom, was daran erkenntlich ist, dass X0-Menschen weiblich und XXY-Menschen männlich sind [1]. Es gibt auch XX-Männer, aber dazu später mehr.

Was passiert nun bei der Entwicklung des Geschlechtes während der Embryonalentwicklung? Vor der Festlegung des Geschlechtes finden sich im Embryo die undifferenzierten Gonaden, die das Potential aufweisen, sich entweder zu Hoden oder zu Eierstöcken zu entwickeln. Zusätzlich weist der Embryo in diesem Stadium sowohl den Wolffschen Gang auf, der sich zu Nebenhoden, Samenblase und Samenleiter entwickeln kann, als auch den Müllerschen Gang, der die Grundlage für die Entwicklung der Eileiter, der Gebärmutter, des Gebärmutterhalses und des oberen Teils der Vagina ist [2]. Bei der Entwicklung des männlichen Geschlechtes verkümmert der Müllersche Gang durch die Einwirkung des Anti-Müller-Hormons, das von den Sertoli-Zellen in den Hoden gebildet wird. Bei der weiblichen Entwicklung verkümmert hingegen der Wolffsche Gang aufgrund von Testosteronmangel.

Das Gen Sry ist der „Hodenbestimmende Faktor“

Die Weichenstellung, ob es in Richtung Frau oder Mann geht, wird, wie bereits erwähnt, durch das Y-Chromosom unternommen. Genauer gesagt durch das Gen Sry (Sex-determining region of the Y), welches sich auf diesem Chromosom befindet. Dieses Gen Kodiert für einen Transkriptionsfaktor (ein Protein, das andere Gene ein- oder ausschalten kann), welcher in einem bestimmten Zeitfenster der Embryonalentwicklung tätig werden muss, um die Entwicklung des männlichen Geschlechtes zu induzieren. Bei Mäusen liegt dieses Zeitfenster beispielsweise bei 10 bis 10,5 Tagen nach dem Geschlechtsverkehr. Wird SRY in dieser Zeit aktiv, wird die Bildung der Hoden gestartet und die Bildung der weiblichen Geschlechtsorgane unterdrückt. Ist SRY nicht vorhanden, startet zwischen 11,5 und 12,5 Tagen nach dem Geschlechtsverkehr die Entwicklung der Eierstöcke [3].

Allen, die diesen Sachverhalt als Rechtfertigung der Unterdrückung der Frauen durch die Männer ansehen wollen, weil die Natur dies ja schon auf genetischer Ebene so eingerichtet hat, sei gesagt, dass dies mitnichten der Fall ist. Denn zum Einen werden Sry und seine nachgeschalteten Gene im weiblichen Geschlecht ihrerseits aktiv unterdrückt [4], zum Anderen sind für die komplette Ausprägung des männlichen Geschlechts und für die Zeugungsfähigkeit noch weitere Faktoren wichtig. Außerdem ist es meiner Meinung nach generell nicht haltbar die Überlegenheit eines Menschen einem anderen gegenüber über die genetische Ebene begründen zu wollen, da diese weder vom Geschlecht oder der Hautfarbe oder ähnlichem abhängt, sondern vor allem von der persönlichen Entwicklung. (Mit Überlegenheit meine ich hier auch keine generelle Überlegenheit, sondern jeweils auf einzelnen Gebieten, wie z.B. Intelligenz, Körperkraft usw.)

Vor diesem Hintergrund lässt sich auch verstehen, wie es zur Entwicklung von XX-Männern kommen kann. Eines Ihrer X-Chromosomen trägt ein Sry-Gen, welches durch ein Crossover genanntes Ereignis bei der Bildung der Spermien in den Hoden des Vaters vom Y-Chromosom auf das X-Chromosom übertragen wurde. Da der größte Teil der für die Geschlechtsentwicklung verantwortlichen Gene nicht auf dem Y-Chromosom liegt, kann das SRY-Protein die Ausbildung des männlichen Geschlechtes starten. Allerdings fehlen diesen Männern z.B. einige Gene, die für die ordnungsgemäße Bildung der Spermien notwendig sind und auf dem Y-Chromosom liegen, weshalb sie zeugungsunfähig sind [5].

Die Genbalance ist wichtig für die ordnungsgemäße Entwicklung

Da beide Geschlechter eine unterschiedliche Anzahl von X-Chromosomen besitzen, stellt sich noch die Frage, wie sicher gestellt wird, dass beide Geschlechter die gleiche Menge an Genprodukten der auf dem X-Chromosom liegenden Gene haben. Beim Menschen, wie bei den meisten Säugetieren, wird dies dadurch sicher gestellt, dass im weiblichen Organismus in jeder Zelle eines der X-Chromosomen stillgelegt wird. Allerdings ist diese Stilllegung nicht komplett, sodass auch von dem eigentlich inaktiven X-Chromosom einige Gene exprimiert werden. Dies ist vermutlich auch der Grund dafür, dass X0-Frauen am Turner-Syndrom, und XXY-Männer am Klinefelter-Syndrom leiden [1]. Das Turner Syndrom geht mit Symptomen wie degenerierten Eierstöcken, Kleinwuchs, verzögerter Pubertät ohne die Ausbildung der sekundären Geschlechtsmerkmale und ausbleiben der Regelblutung einher. Männer mit Klinefelter-Synfrom weisen oft eine überdurchschnittliche Größe auf, sowie einen unterentwickelten Hoden und ihnen fehlt meistens die Fähigkeit, funktionstüchtige Spermien auszubilden. Zusätzlich bilden sich bei ihnen in der Pubertät oft kleine Brüste.

Wäre die durch SRY ausgelöste Genkaskade der einzige Grund für die Entwicklung des männlichen Geschlechts statt des weiblichen, sollte in beiden Fällen eine normale Entwicklung stattfinden, da auch bei XXY-Männern eines der X-Chromosomen stillgelegt wird.

Nächste Woche geht es mit der Entwicklung der äußeren Geschlechtsmerkmale in Teil 2 weiter.

Literatur:

[1] Jannig F., Knust E.: Genetik; Thieme Verlag 2004

[2] Gilbert S.F.: Developmental Biology; 7. Auflage 2003; Sinauer Associates Inc.

[3] Kashimada K. & Koopman P.: Sry: the master switch in mammalian sex determination; Development 137, pp 3921-3930 (2010)

[4] Veitia R.A.: FOXL2 versus SOX9: A lifelong „battle of the sexes“; Bioessays 32, pp 375-380 (2010)

[5] Li T.-F., Wu Q.Y., Zhang C., Li W.W., Zhou Q., Jiang W.J., Cui Y.X., Xia X.Y., Shi Y.C.: 46,XX testicular disorder of sexual development with SRY-negative caused by some unidentified mechanisms: a case report of the literature; BMC Urology 14:104 (2014)

Von Sammelnüssen und Panzerbeeren

Im Beitrag von letzter Woche ging es um die Frage, was der biologische Unterschied zwischen Obst und Gemüse ist. Dabei tauchte immer wieder der Begriff der Frucht auf. Darum möchte ich heute einmal erklären, was eine Frucht überhaupt ist.

Inzwischen hat vermutlich jeder mal davon gehört, dass es sich bei der allseits beliebten Erdbeere (Fragaria) nicht um eine Beere, sondern um eine Nuss handelt. Wenn die Nachricht noch etwas besser recherchiert war, war darin sogar die Information enthalten, dass es genau genommen eine Sammelnuss ist. Aber wann ist eine Frucht eine Beere und wann ist eine Frucht eine Nuss und was ist eine Sammelfrucht?

Früchte dienen der Samenausbreitung

Am Besten nähert man sich dem Thema über die Frage, warum Pflanzen überhaupt Früchte bilden, weil man sich dadurch auch gleich gut vor Augen führen kann, warum es so eine große Vielfalt an Früchten gibt. Zu einem gewissen Grad dienen die Früchte dem Schutz der Samen, die sie einschließen. Die Hauptaufgabe der Früchte ist jedoch die Verbreitung der enthaltenen Samen. Hier haben sich im Lauf der Evolution vielfältige Strategien entwickelt. Die häufigsten Ausbreitungsstrategien sind die Selbstausbreitung (Autochorie), die Ausbreitung durch den Wind (Anemochorie), die Ausbreitung durch das Wasser (Hydrochorie) und die Ausbreitung durch Tiere (Zoochorie). Letztere lässt sich noch in die Endozoochorie und die Epizoochorie unterteilen, je nachdem, ob die Früchte von den Tieren gefressen werden, oder ob sie sich außen an die Tiere anheften.

Bei der Autochorie sorgt die Mutterpflanze selber aktiv für die für die Verbreitung der Früchte, indem sie sie mechanisch wegschleudert, wie z.B. das Große Springkraut (Impatiens nolitangere). Dessen Früchte sind dementsprechend klein und leicht.

Bei der Anemochorie setzen die Pflanzen darauf, dass die Früchte möglichst weit durch den Wind vom Standort der Mutterpflanze fortgetragen werden. Allgemein bekannte Beispiele hierfür sind die „Hubschrauber“ der Ahornarten (Acer) oder Flugschirmchen des Löwenzahns (Taraxacum officinale).

Früchte, die durch Hydrochorie verbreitet werden, sind dementsprechend schwimmfähig gebaut. Eine Art, die sehr erfolgreich Hydrochorie betreibt, ist die Kokospalme (Cocos nucifera), deren Kokosnüsse im Meer treibend weite Strecken überwinden und so neue Inseln besiedeln können.

Bei der Endozoochorie legen es die Pflanzen darauf an, dass die Früchte von Tieren gefressen werden. Daher sind solche Früchte attraktiv für die entsprechenden Adressaten gestaltet. Sollen die Früchte von Vögeln gefressen werden, sind sie in der Regel auffallend gelb oder orange gefärbt, weisen keinen starken Geruch auf, da Vögel meistens keinen ausgeprägten Geruchssinn besitzen, und fallen nach der Reife nicht von der Mutterpflanze ab. Ein Beispiel hierfür ist die Vogelbeere oder Eberesche (Sorbus aucuparia).

Sind bodenlebende Säugetiere die Zielgruppe, fallen die Früchte hingegen nach der Reife von der Mutterpflanze auf den Boden und senden einen süßlichen Geruch als Lockstoff aus.

Gemeinsam ist den endozoochoren Früchten, dass sie ein nahrhaftes Fruchtfleisch aufweisen und die Samen eine widerstandsfähige Schale, die den Fressvorgang und die Passage des Verdauungstraktes unbeschadet übersteht. Die Pflanzen, die auf Endozoochorie setzen, investieren zwar relativ viel Energie in die Ausbildung einer verlockenden Frucht, erkaufen sich dadurch jedoch den Transport der Früchte über teilweise sehr lange Wegstrecken und bekommen beim Ausscheiden der Samen durch die Tiere quasi eine Portion Dünger gratis dazu. Beispiele hierfür sind der Apfel (Malus) und die eingangs bereits erwähnte Erdbeere.

Epizoochore Früchte verfolgen dagegen das Ziel, sich außen an vorbeikommende Tiere anzuheften und diese als Transportvehikel zu nutzen und haben entsprechende Strukturen hierfür ausgebildet. Jeder, der mal durch einen Bestand des Klettlabkrautes (Galium aparine) gelaufen ist, hat einen Eindruck davon, wie Effektiv diese Methode ist.

Der Fruchtknoten ist der Ursprung der Frucht

Bei dieser Vielfalt an möglichen Verbreitungsarten ist es nicht verwunderlich, dass es so viele unterschiedliche Früchte gibt. Von der schmackhaften Beere bis hin zur schwer zu knackenden Nuss. Wie unterscheidet sich nun aber die Beere von der Nuss?

Hierzu müssen wir uns die Entstehung der Früchte anschauen. Bei der Überwiegenden Anzahl der heute lebenden höheren Pflanzen sind die Samenanlagen, aus denen sich nach der Befruchtung die Samen entwickeln, in die Schützende Hülle des Fruchtknotens (Gynoeceum) eingebettet. Diese Pflanzen werden daher als Bedecktsamer oder Angiospermen bezeichnet. Im Gegensatz hierzu steht die entwicklungsgeschichtlich ältere und heute nur noch wenige Arten zählenden Gruppe der Nacktsamer oder Gymnospermen, zu denen die z.B. Nadelbäume, aber auch der Ginkgo (Ginkgo biloba) und die Palmfarne (Cycas) gehören. Die Pflanzen aus dieser Gruppe bilden keine Fruchtknoten um die Samenanlagen aus.

Die Frucht ist eine Bildung der Fruchtknoten und gegebenenfalls anderer Teile der Blüte und der Blütenachse. Aus dieser Definition lässt sich bereit ableiten, dass Früchte nur bei den Bedecktsamern vorkommen, nicht jedoch bei den Nacktsamern, da diese keine Fruchtknoten aufweisen. Zwar bilden einige nacktsamige Pflanzen wie Ginkgo, Wacholder (Juniperus communis) und Eibe (Taxus baccata) Strukturen aus, die Ähnlichkeit mit Früchten haben und dem gleichen Zweck dienen, jedoch sind sie per Definition keine Früchte.

Was macht die Beere zur Beere?

Was für eine Art Frucht vorliegt, richtet sich zum Einen danach, wie die Fruchtwand (Pericarp), die sich aus den Fruchtblättern entwickelt, aufgebaut ist. Die Fruchtwand kann in drei Schichten unterteilt werden und zwar die äußere Epidermis, das Exocarp, die innere Epidermis, das Endocarp, und die dazwischen liegenden Zellschichten, das Mesocarp.

Sind alle drei Schichten verholzt, handelt es sich um eine Nuss.

Sind alle drei Schichten unverholzt und fleischig handelt es sich um eine Beere. Beeren können ziemlich groß werden. So zählen z.B. Melonen und Kürbisse zu den Beeren. Wegen ihrer harten Außenhülle werden diese auch als Panzerbeeren bezeichnet.

Sind Exocarp und Mesocarp fleischig, das Endocarp jedoch verholzt, liegt eine Steinfrucht vor, wie zum Beispiel bei der Süßkirsche (Prunus avium) oder der Pflaume (Prunus domestica).

Soweit, so einfach. Komplizierter wird es aber dann, wenn andere Teile der Blüte an der Fruchtbildung beteiligt sind. Solch ein Fall ist zum Beispiel die Erdbeere. Die eigentlichen Früchte sind die kleinen, gelben Nüsschen auf der Außenseite der „Beere“, von denen jede aus einem eigenen Fruchtknoten entsteht. Das, was so rot und süß und daher für uns so attraktiv ist, ist eine Bildung des Blütenbodens. Aus diesem Grund handelt es sich bei der Erdbeere um eine Sammelnussfrucht, die eigentlich aus vielen Früchten besteht. Ähnlich ist es bei der Himbeere (Rubus idaeus) und der Brombeere (Rubus fruticosus), nur dass es sich hier nicht um Sammelnussfrüchte, sondern um Sammelsteinfrüchte handelt.

Neben der Möglichkeit, dass eine Blüte mehrere Früchte hervorbringt, können auch mehrere Blüten in einer Frucht aufgehen. So Fusionieren beispielsweise bei der Ananas (Ananas comosus) die Früchte eines Fruchtstandes während des Wachsens zu einem Fruchtverband. Ähnliches passiert bei der Feige (Ficus carica).

Zum Anderen dient auch das Verhalten der Früchte nach der Reifung zu ihrer Klassifizierung. Bei allen bisher besprochenen Früchten handelt es sich um Schließfrüchte, dass heißt, um Früchte, die sich nach der Reife nicht öffnen um die enthaltenen Samen auszustreuen. Im Gegensatz dazu gibt es die Öffnungsfrüchte, die genau dies tun. Bei den Öffnungsfrüchten ist die Fruchtwand oft weder verholzt noch fleischig, sondern weist eine papier- oder pergamentartige Konsistenz auf.

Je nachdem, wie viele Fruchtblätter an der Bildung der Früchte beteiligt sind und wie sich die Früchte öffnen, unterscheidet man zwischen Balgfrüchten, Hülsenfrüchten und Kapselfrüchten.

Balgfrüchte sind beispielsweise bei der Pfingstrose (Paeonia officinalis) zu finden, Hülsen bei der Sojabohne (Glycine max) oder der Erdnuss (Arachis hypogaea) und Kapselfrüchte werden unter anderem durch den Klatschmohn (Papaver rhoeas) gebildet.

Literatur:

  1. Sitte P., Weiler E.W., Kadereit J.W., Bresinsky A., Körner C.: Strasburger – Lehrbuch der Botanik; 35. Auflage 2002, Spektrum Verlag
  2. Campbell N.A., Reece J.B.: Biology; 6. Auflage 2002, Benjamin Cummings

Was ist der biologische Unterschied zwischen Obst und Gemüse?

Aus rein botanischer Sicht ist die Antwort auf diese Frage streng genommen, dass es keinen klar benennbaren Unterschied gibt. Eine Definition für Obst und Gemüse nach botanischen Gesichtspunkten wäre zum Beispiel, dass alle essbaren Früchte als Obst und alle anderen essbaren Pflanzenteile als Gemüse bezeichnet werden. Was das angeht geht es aber, vor allem beim Gemüse, im wahrsten Sinne des Wortes quer durch den Garten.

Die allgemeinen Definitionen von Obst und Gemüse sind nicht exakt und teilweise Überlappend. So wird z.B. im Bertelsmann Lexikon Obst als „Sammelbegriff für das essbare Fruchtfleisch oder die Samen kultivierter oder wild wachsender Bäume und Sträucher“ definiert. An gleicher Stelle findet sich für Gemüse die Definition des Sammelbegriffes für „alle Pflanzen(teile), die im Garten oder als Feldgemüse auf dem Acker zwecks Verwendung als Nahrung angebaut werden.“ Allein diese beiden Definitionen sind schon problematisch, da hiernach ein großer Teil des Obstes, nämlich dasjenige, welches in Kultur wächst, auch als Gemüse bezeichnet werden könnte. So wäre z.B. eine wild wachsende Banane dem Obst zuzurechnen, eine Plantagenbanane hingegen könnte man genau so gut als Gemüse bezeichnen.

Laut Wikipedia ist Obst ein „Sammelbegriff der für den Menschen roh genießbaren meist wasserhaltigen Früchte oder Teilen davon, die von Bäumen, Sträuchern und mehrjährigen Stauden stammen“.

Diese Definition ist schon ziemlich gut, aber auch nicht universell anwendbar. Rhabarber beispielsweise wird zum Obst gerechnet. Allerdings werden nicht die Rhabarberfrüchte gegessen, sondern die Blattstiele. Hinzu kommt, dass Rhabarber selten roh gegessen, sondern zumeist zu Kompott, Marmelade oder Kuchen verarbeitet wird. Auch die Mehrjährigkeit der Pflanzen ist nicht bei allen Obstsorten gegeben. So handelt es sich zum Beispiel bei Melonen um einjährige Pflanzen.

Als Fazit lässt sich sagen, dass es unterschiedliche Definitionen von Obst und Gemüse gibt und vermutlich weiß auch so ziemlich jeder, ob das Stück Pflanze, das er gerade in der Hand hält zum Obst oder zum Gemüse gehört. Nach den Regeln der Botanik gibt es jedoch keine sinnvolle Unterscheidung zwischen Obst und Gemüse.

In der nächsten Woche geht es dann um Sammelnüsse und Panzerbeeren.

 

Quellen:

1. Das neue Bertelsmann Lexikon multimedial, Bände 8 und 16; Bertelsmann   Lexikon Verlag

2. Strasburger Lehrbuch der Botanik, 35. Auflage; Spektrum Verlag

3. https://de.wikipedia.org/wiki/Obst

 

Mastodynie

Die erste Frage, die ich auf diesem Blog beantworte ist: „Warum haben viele Frauen während ihres Monatszyklus Brustschmerzen?“

Dieses Phänomen wird als Mastodynie bezeichnet, im Gegensatz zur Bezeichnung Mastalgie für zyklusunabhängige Brustschmerzen, und tritt bei 25 – 50 % der Frauen im gebärfähigen Alter auf. Ab dem 30 Lebensjahr werden die Schmerzen oft stärker, mit den Wechseljahren lassen die Symptome meistens nach. Die Schmerzen können bereits ein bis zwei Wochen vor der Monatsblutung einsetzen und enden in der Regel mit dem Beginn der Blutung.

Auslöser der Mastodynie sind die weiblichen Sexualhormone. In der ersten Zyklushälfte sind die Östrogene vorherrschend, während in der zweiten Zyklushälfte das körpereigene Gestagen Progesteron dominiert, welches auch als Gelbkörperhormin bezeichnet wird. Durch die Hormonwirkung kommt es zur Bildung von Wassereinlagerungen (Ödemen) im Brustgewebe, was zu Spannungsgefühlen und erhöhter Berührungsempfindlichkeit bis hin zu starken Schmerzen führen kann. Die Ödeme sind jedoch nicht auf die Brüste beschränkt, sondern können auch an Händen, Beinen und Füßen auftreten.

Ein weiteres Hormon, welches in diesem Zusammenhang eine Rolle spielt ist das Prolaktin. Dieses wird in der zweiten Zyklushälfte von der Hirnanhangdrüse ausgeschüttet und bereitet die Drüsenzellen der Brüste auf die Milchproduktion während einer möglichen Schwangerschaft vor. Die Einwirkung des Prolaktins auf das Brustgewebe führt zu einer stärkeren Durchblutung und regt die Drüsenzellen zu Wachstum und verstärkter Sekretbildung an.

Die Mastodynie ist oft nur ein Symptom des prämenstruellen Syndroms (PMS), von dem etwa 30 – 40 % aller Frauen betroffen sind. Neben den Brustschmerzen treten beim PMS

  • Unterleibskrämpfe
  • Bauch- und Rückenschmerzen
  • Verdauungsprobleme
  • Erschöpfung
  • Kopfschmerzen oder Migräne

als weitere körperliche Symptome auf. Hinzu kommen als mögliche psychische Symptome:

  • starke Stimmungsschwankungen
  • Antriebslosigkeit
  • Aggression und Reizbarkeit
  • sinkendes Selbstwertgefühl bis zu Depressionen
  • Panikattacken und Angstzustände

In leichten Fällen können die Symptome durch eine Ernährungsanpassung gelindert werden. So wirken sich ein ausgeglichener Mineralhaushalt und die ausreichende Aufnahme von Vitaminen und essentiellen Fettsäuren positiv aus. Lindernd wirkt oft auch der Verzicht auf salzreiche Speisen, Alkohol, Schokolade und Koffein kurz vor Einsetzen der Regelblutung.

Hinweis: Dieser Artikel dient lediglich der Information und ist keinesfalls als Ersatz für einen Arztbesuch oder als Anleitung zur Selbsttherapie zu betrachten.

Quellen:

1: http://www.onmeda.de/krankheiten/brustschmerzen.html

2: http://www.apotheken-umschau.de/brust/schmerzende-brueste

3: http://volkskrankheit.net/a_z/a-z-bing/hilfe-bei-pms/

4: https://de.wikipedia.org/wiki/Pr%C3%A4menstruelles_Syndrom

Nächste Woche geht es um Obst und Gemüse.

Der Biologie Erklärblog

Hallo liebe Leser,

quasi seit Beginn meines Biologiestudiums werden mir Fragen gestellt, die mit „Du bist doch Biologe“ beginnen. Meist folgen dann sehr spezifische Fragen, die man nicht so aus dem Stegreif beantworten kann, weil man eben auch als Biologe nicht das gesamte Wissen der Biologie im Kopf hat. Das erzeugt dann meist ein ungläubiges Stirnrunzeln.

Daher habe ich mich dazu entschlossen, diesen Blog zu starten, um solche Fragen nach eingehender Recherche beantworten zu können. Dabei werde ich mich Fragen aus dem Bereich der Biologie widmen, die mir im Laufe der Zeit gestellt worden sind oder die mir selber einfallen, weil sie vielleicht mir einem Aktuellen Thema in den Medien zu tun haben. Und natürlich möchte ich Euch, liebe Leser, dazu ermuntern mir hier Fragen zur Biologie zu stellen, die Ihr schon lange mal beantwortet haben wolltet, die Euch kürzlich in den Sinn gekommen sind, oder die Euch vielleicht gerade beim Lesen dieses Blogs einfallen.